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Carsten Goering Infra

Leipzig 22.06.–04.08.2018

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Es sind große farbige Flächen und es sind Werke voller Bewegung.
Aus der traditionellen Malerei - Farbpigment auf Untergrund - hat Carsten Goering ein Verfahren abgeleitet, das seine Wirkung in der beweglichen Einstellung des Betrachters entfaltet.
Das meint nicht nur die Haltung zum Bildgegenstand, sondern tatsächlich die Dynamik des Blickes; sie löst zwischen Licht und Schatten, Farbe und verlockender Haptik eine lebendige Bewegung auf der Bildoberfläche aus. Ein verblüffender Effekt, den Goering dosiert einsetzt und gezielt auf Farbe und Format abstimmt.
Der Künstler erzeugt den verhaltenen Glanz von schwerem Samt oder Brokat und zugleich pulsierende Wellen und Wogen, nahe an der optischen Illusion, am Gif oder am Hologramm. Das Flirren, Wogen und Changieren, die Nachahmung des Wellencharakters von Licht und dessen Interferenzeigenschaften bezeugen die Herkunft von Goerings Werk aus der medialen und Computer-Malerei und dem Neo-Konstruktivismus.

Er hat seine Formate und die Untergründe experimentell ausgelotet. Ausgangspunkt war das neutrale Quadrat (ca. 2 x 2 Meter) mit maximaler Flächenkonzentration, jetzt sind es auch andere, zum Teil extreme Querformate. Papier, Holz, verschiedene Textilgewebe wie Jute, Leinwand oder Polyester arbeiten als Träger an der Wirkung mit. Bis zu fünfzehn Farbaufträge enthält ein Werk und es entstehen bis zu fünf Werke gleichzeitig. Der ersten Knochenleimschicht folgt der Auftrag von Kreide und Acryl, dann folgt intensives Schleifen bis zur planen Fläche, darauf folgen farbige Lasuren und schließlich der Masseauftrag der Farbpigmente, die die spezielle Oberflächenstruktur aufbauen.
Die Farbfläche ist Goerings Thema. Ihre Tiefe, ihre Stimmung, die Harmonie oder der Widerspruch der Farbebenen sind für Ihn sehr persönliche Aussagen. Die Konnotationen einer einzelnen Farbe - von temperamentvoll, satt und laut, bisweilen giftig und metallisch blendend bis pastellen, transparent und sanft komprimiert - kann er mit seiner Technik ausreizen und auf einem Format mit bis zu drei Meter Seitenlänge ausbreiten.
Neben den monochromen Werken stehen auf zweigeteilten Arbeiten zwei Farbgestalten nebeneinander im Dialog oder prallen wirkmächtig aufeinander. In anderen Werken sind bis zu 30 Flächenstreifen zu einem optischen Stakkato addiert und zu auf- und abschwellender Helligkeit und Temperatur kombiniert. Die Brüche, Übergänge und komplementären Verbindungen assoziieren emotionale Äußerungen und Goerings serielles Arbeiten ermöglicht Vergleiche und Entwicklungen mitzuerleben.
Als Kunstgegenstände haben die Werke objekthaften Charakter. Einerseits durch die Modellierung der Farbmasse zu relief- und skulpturartiger Körperlichkeit, andererseits durch die Erhabenheit, die der ca. 7 cm starke Rahmen erzeugt, zusätzlich betont durch den Kontrast von Farbfläche zur umlaufenden rohen Leinwand.

Goerings gegenstandslose Malerei will keine geometrische Auflösung der Gegenstandsform oder des perspektivischen Bildraums sein oder die Abkehr vom Abbild der äußeren Wirklichkeit zeigen. Sie setzt beim Eigenwert der Farben und Formen und der Rhythmisierung der Bildfläche an und sucht ihre eigenwilligen Möglichkeiten dort zu schöpfen, wo Malerei beginnt: Farbe als Stoff auf Material als Trägermedium.
Ähnlich der Farbfeldmalerei und des radical painting, die mit der monochromen Farbfläche der Malerei eine postkubistische Neudefinition vorschlagen, und des Suprematismus, der sie vom Abbildgedanken löst, wie auch im Anklang an Hard Edge Kompositionen, ist Goerings Werk mit dem Gedanken an Kasimir Malewitsch verbunden. Ohne allerdings daraus eine "Null-Form" generieren zu wollen, erinnert Goering eher an die bewegten wie irritierenden optischen Effekte der abstrakten Formmuster der Op Art, etwa den neutral-grauen Bildtafeln Two Part Painting von Alan Charlton oder Werke der amerikanischen Minimalisten Robert Mangold und John McLaughlin. Goerings Ideenverwandtschaft mit den primary structures der ZERO Künstler, besonders in den lichtkinetischen Objekten, liegt in eben dieser spezifischen Erscheinung seiner Werke zwischen Bild und Skulptur.

Carsten Goerings Werke, die nicht nur aus der Hand sondern aus dem Körper gearbeitet sind,
werden auf einzigartige Weise als Vorgang, fast als Film erlebbar. Die aus der speziellen Maltechnik resultierende Ästhetik beansprucht in mehrfacher Hinsicht einen beweglichen Standpunkt, zum einen was Gegenstand und Thema seiner Malerei betrifft und zum anderen bezüglich des Betrachtermodus’, denn sie sind sowohl im eindringenden Anschauen wie paradoxerweise „im Vorbeigehen“ zu erfassen.

Text von Tina Simon, 2018