Ibrahim Mahama »Vanishing Points. 2014-2020«

Ibrahim Mahama Vanishing Points.  2014-2020

Leipzig 05.06.–18.09.2021

Video – Ibrahim Mahama »Vanishing Points. 2014 – 2020« REITER | Leipzig
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Ibrahim Mahama »Vanishing Points. 2014 – 2020« Ausstellungsansicht REITER | Leipzig
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Mit Unterstützung von
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Der ghanaische Künstler Ibrahim Mahama (geb. 1987) realisiert mit der Ausstellung »VANISHING POINTS. 2014 – 2020« bei REITER sein erstes Solo-Projekt in einer deutschen Galerie. Für seine raumgreifende ortsspezifische Installation arrangiert der Künstler hundert alte Schubkarren, die er von Arbeiterinnen in Ghana eingesammelt und im Austausch gegen neue Modelle erhalten hat. Die rostigen, abgenutzten Karren tragen deutliche Spuren täglicher schwerer Arbeit und können als deren Symbole verstanden werden. Sie stehen parallel für den Aufbau, der sich auch architektonisch in der Geschichte seines Heimatlandes manifestiert. Gleichzeitig ist Arbeit auch im Zusammenhang seines in Tamale (Ghana) initiierten Projektes »Parliament of Ghosts« zu sehen. Dieses bezeichnet ein Forum für diskursiven Austausch und trägt die Idee der sozialen Skulptur weiter.

Ein gleichnamiges Buch zur Ausstellung ist im Kerber Verlag erschienen.
Das Projekt wurde unterstützt von der Stiftung Kunstfonds und Neustart Kultur.


Wie urzeitliche Schildkröten-Fossilien, Science-Fiction-Käfer aus den 1920er Jahren oder phantasievolle Theater-Helme stehen die alten Schubkarren übereinander. Es können auch verrostete, ausgebeulte Körper sein, die an Skelettextremitäten herunterhängen. Ineinander verkantet, verkeilt oder eng umschlungen. Auf einer steht „For rent“, darunter eine Telefonnummer. Auf einer anderen entdeckt man eine Prägung: „Germany“, das Herkunftsland. Sie sind verrostet, sehen ausgeblichen aus, auch sie haben geschwitzt. Eine undefinierbare Farbe zwischen Gelb, Orange, Ocker, Grau und Braun bleibt übrig. Ihre Körper sind ausgetrocknet. Zusammen bilden sie einen Damm aus Objekten, der den Betrachter auf Abstand hält. Ihr Wesen scheint feindlich für eine Haut, die sich aufschürfen und entzünden kann. Um sie herum ein erdiges Sandgemisch aus der Region Leipzig. Ebenfalls trocken. Ebenfalls unwirtlich. Auch es sollte nicht in eine Wunde gelangen.

Ibrahim Mahama besorgte die 100 Schubkarren von Arbeitern aus Ghana. Er gab ihnen neue, sie gaben ihm die alten. Die längst überfällige Erneuerung ihrer Werkzeuge ist entweder ein einfacher, guter Tauschhandel, eine antikapitalistische Handlung oder Aktionskunst. In der Installation erinnern die Karren an die lange Geschichte ihrer Bewegungen, also an die körperliche Arbeit, an die Kolonialgeschichte, die Unabhängigkeit, den Aufschwung, die Probleme, die Bauruinen, den globalisierten Warenverkehr. Ibrahim Mahama initiiert in Ghana neue Bauprojekte, wie The Savannah Centre for Contemporary Art (SCCA) und das Red Clay Studio. Orte, nicht nur für Kunstausstellungen und Kulturveranstaltungen, sondern auch für Schulkinder, die in Flugzeugen neue Klassenräume finden. Einige Schubkarren stammen ebenfalls von diesen Baustellen.

Natürlich liegen Assoziationen an Joseph Beuys, seinen erweiterten Kunstbegriff und seine Soziale Plastik nicht fern. Arte Povera, partizipative Kunst und Relationale Ästhetik sind weitere kunsthistorische Kategorien, die sich auf Mahamas Werke anwenden ließen. Darüber hinaus beweist er ästhetische Qualitäten, die auch unabhängig vom politischen Kern bestand haben. Mahamas Außenarbeiten sind gleichzeitig Land Art und urbane Monumentalinstallationen. Die mit Jutesäcken verkleideten Gebäude lassen an Christos und Jeanne Claudes Verpackungswerke denken, allerdings fallen letztere durch ihre spezielle Faltenästhetik eher zeichnerisch und grafisch auf, während Mahamas Jutecollagen malerischer erscheinen. Ihre unterschiedliche Farbigkeit, die chaotischen Kompositionsmomente im Aneinandergenähten und ihre stofflichen Reaktionen auf unterschiedliche Lichteinfälle, machen sie auch zu einer gestischen Gemäldearchitektur.

Dass sich eine einzige Position, wie Ibrahim Mahama, auf so vielen unterschiedlichen Ebenen beweist, ist selten. Mahamas Ansatz ist einerseits ein sehr ästhetischer, in dem er mit Farben, Materialien und Formen umgeht, sie in Verhältnis zum menschlichen Körper und zu seinem gebauten Umfeld setzt und eine sinnliche Wahrnehmung provoziert, die den Körper mal abstößt oder anzieht. Andererseits verlaufen in seinen Arbeiten beständige Rückführungen ins Politische, nach Ghana und zur aktiven Zukunftsgestaltung seiner Heimat.

Es ist genau dieser Schwellenwert, den Mahama erfolgreich und immer wieder von neuem umspielt. Er holt die Betrachter dort ab, wo sie sind, durch ästhetische, körperliche Empfindungen, ausgelöst durch die Kommunikationsstärken seiner Werke. Diese ersten (unpolitischen) Wahrnehmungen korrelieren danach unweigerlich mit einem inhaltlichen Bestand, der in sein Land und in dessen koloniale Vergangenheit, zu Arbeitssituationen vieler Einwohner und zu den Narrationen führt, die durch Mahamas Materialien entstehen. Für diesen Wahrnehmungsprozess muss sich Mahama nicht von seiner zeitgenössischen Werksprache lösen. Im Gegenteil, er schafft es mehrere Formsprachen parallel zu bedienen und verschiedene Arten des Storytellings zu verbinden, um heterogene Rezipientengruppen anzuvisieren. Dies gelingt, weil seine Arbeiten global und regional zugleich sind, ersteres ohne dabei zu verflachen oder beliebig zu wirken, und letzteres ohne sich dabei zu stark anzupassen.

© Larissa Kikol, 2021